Der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten und einer guten Work-Life Balance wird immer lauter, seit die Generation Y den Arbeitsmarkt betreten hat. Viele Firmen haben bereits darauf reagiert und Gleitzeitmodelle, Vertrauensarbeitszeiten oder sogar die 4-Tage-Woche eingeführt. Und das mit Erfolg! Laut einer Trendstudie des Zukunftsinstitutsgehören die Vereinbarkeit von Job und Familie sowie flexible Arbeitszeiten heute zu den wichtigsten Kriterien für die Berufswahl. So ist es auch nicht verwunderlich, dass immer mehr Firmen genau das bieten wollen. Was in vielen Bürojobs schon gang und gäbe ist, wird von Handwerksbetrieben nur zögerlich etabliert – flexible Arbeitsmodelle. Dabei könnte gerade die Handwerksbranche von renovierten Arbeitszeitmodellen profitieren!
5-Tage Woche, ade: Warum die Arbeitswelt flexibler werden sollte
Die Arbeitswelt hat sich verändert. Wo es im letzten Jahrhundert zum guten Ton gehörte, möglichst das ganze Leben lang in einem Betrieb beschäftigt zu sein, gilt man heute als unflexibel und veränderungsresistent, wenn man nicht mindestens schon für drei verschiedene Firmen gearbeitet hat. Das sorgt auch dafür, dass man sich weniger über seine Arbeit definiert – und das Bedürfnis nach Freizeit und „Work-Life-Balance“ steigt.
Work-Life-Balance – was ist das überhaupt?
Der neudeutsche Begriff ist heute in aller Munde. Laut Duden-Definition ist es ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen beruflichen Anforderungen und privaten Bedürfnissen einer Person“. Diese „Bedürfnisse“ können aber für jeden anders sein – und genau da liegt das Problem für den Arbeitgeber. Um auf die individuellen Bedürfnisse jedes Mitarbeiters eingehen zu können, sind allgemeingültige Arbeitszeiten, wie es bisher üblich war, nicht geeignet. Der eine besteht auf freie Wochenenden, die alleinerziehende Mutter braucht den Nachmittag für ihre Kinder und der Lehrling ist vor 10 Uhr einfach zu nichts zu gebrauchen. Trotzdem sind es genau diese individuellen Regelungen, die den Arbeitnehmern von heute so wichtig sind. Neben dem Gehalt ist „Zeit“ eine Form der Vergütung geworden, die für das Finden von Lehrlingen und neuen Mitarbeitern entscheidend sind. Flexible Arbeitsmodelle sind gefragt!
Flexible Arbeitszeiten – auch im Handwerk?
Viele Handwerksbetriebe fürchten, bei flexibleren Arbeitszeiten auf Produktivität und Verlässlichkeit verzichten zu müssen. Kunden müssen sich schließlich darauf verlassen können, jederzeit einen Ansprechpartner oder Notdienst erreichen zu können! Was viele Handwerksbetriebe übersehen: Gerade in den neuen Arbeitszeitmodellen liegt eine große Chance für den optimalen Kundenservice – wenn man es richtig organisiert. Schließlich ist es viel leichter, einen Wochenend-Notdienst anzubieten, wenn man zwei Mitarbeiter mit einer (verschobenen) 4-Tage Woche beschäftigt. Und auch Teilzeitbeschäftigungen können sich mit Vormittags- und Nachmittagsschichten optimal ergänzen! Erfahrungsberichte und Studien zeigen außerdem: Je mehr Vertrauen der Arbeitgeber den Arbeitnehmern entgegenbringen, desto produktiver und motivierter wird gearbeitet. Neben gesteigerter Produktivität kann also auch das Arbeitsklima deutlich verbessert werden.
Während das Modell der Jahresarbeitszeit schon bei vielen Handwerksbetrieben bekannt ist, gibt es noch andere Vertragsformen, die Vorteile, aber auch Nachteile mit sich bringen können:
Jahresarbeitszeit
Dieses Modell ist optimal für Betriebe geeignet, die ihre Mitarbeiter ganzjährig halten wollen, obwohl die Auftragslage stark von Wetter und Saison abhängt. Hierbei wird eine jährliche Arbeitszeit vereinbart, die über das ganze Jahr hinweg „abgearbeitet“ werden muss. Überstunden werden zum Jahresende in Form von Zeit oder Geld ausgeglichen. Obwohl die Arbeitszeit je nach Auslastung saisonal schwankt, erhält der Mitarbeiter jeden Monat ein gleichbleibendes Gehalt – und der Betrieb muss nicht jedes Jahr neu auf die Suche nach neuen Arbeitskräften gehen.
Vorteile:
- weniger Fluktuation
- geringer Aufwand in der Buchhaltung durch stetige Gehälter
- vorausschaubare Budgetplanung
- keine teuren Überstunden für Auftragsschwankungen
- finanzielle Planungsvorteile für beide Seiten
- Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt
Nachteile:
- Überstunden lassen sich nicht immer vermeiden und müssen gegebenenfalls am Ende des Jahres ausgeglichen werden
- nur sinnvoll, wenn das Auftragspensum von Jahr zu Jahr ähnlich hoch ist
INFOBOX
Gehaltszahlungen gehören für viele selbständige Unternehmer zu den größten Posten in der Jahresbilanz. Akute Liquiditätsengpässe, die regelmäßige Gehaltszahlungen erschweren, können fatale Folgen für jeden Handwerksbetrieb haben. Vor allem: Mit nicht oder unpünktlich gezahlten Gehältern riskieren Sie nicht nur rechtliche Probleme, sondern möglicherweise eine Kündigungswelle Ihrer Mitarbeiter! Wenn Sie Liquiditätsengpässen rechtzeitig vorbeugen möchten, lassen Sie sich gerne von uns zum Thema Factoring beraten.
Gleitzeit
Hauptsächlich geht es bei der „Gleitzeit“ um die „gleitenden“ Beginn- und Feierabendzeiten. Es wird eine Kernarbeitszeit vereinbart, die für alle gilt – wann man genau anfängt oder aufhört, darf man selbst entscheiden. Für das Handwerk besonders interessant ist aber vielmehr der „Gleitzeitausgleich“. Beispiel: Macht ein Installateur für Klimaanlagen im Sommer viele Überstunden, kann er sie im Winter einfach wieder abbauen. Das Gleitzeitkonto macht also vor allem dann Sinn, wenn die Auftragslage saisonal oder auch wochenweise schwankt.
Vorteile:
- mehr Flexibilität für die Mitarbeiter
- geringer bürokratischer Aufwand
- weniger Fehlzeiten (beispielsweise durch Arzttermine am Vormittag)
- mehr Selbstverantwortung steigert die Motivation
Nachteile:
- schriftliche Regelung und Gleitzeitkonto erforderlich
- höherer Abstimmungsaufwand, da nicht alle gleichzeitig anwesend sind
4-Tage Woche
Diese Form der Teilzeitbeschäftigung mag sich auf den ersten Blick nicht für Handwerksbetriebe eignen, die einen 7-Tage Service anbieten. Bei näherer Betrachtung sieht man aber, dass es gerade dann viele Vorteile mit sich bringt! Eine gute Einteilung, klare Absprachen und gegenseitiges Vertrauen sind bei diesem Modell besonders wichtig. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, kann sich das 4-Tage Modell sehr positiv auf Mitarbeitermotivation, Verfügbarkeit und Produktivität auswirken.
Vorteile:
- mehr Freizeit für die Arbeitnehmer – geringere Gehaltszahlung für den Arbeitgeber
- höhere Produktivität durch insgesamt kürzere Einsatzzeiten
- gleichmäßige Auslastung über die gesamte Woche
- bessere Vereinbarkeit von Job und Familie
- Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt
Nachteile:
- Planung und Absprachen nehmen Zeit in Anspruch
- eingeschränkte Erreichbarkeit der Mitarbeiter
Funktionsarbeitszeit
Mit diesem Modell haben Sie als Arbeitgeber maximale Flexibilität. Beschäftigte kommen wirklich nur dann zum Einsatz, wenn sie gebraucht werden – ähnlich wie bei freien Mitarbeitern. So können Ihre Handwerker beispielsweise Für Not- und Wochenenddienste eingesetzt werden – haben aber an anderen Tagen komplett frei. Dieses Modell ist an keine Kernzeit gebunden, sondern lässt freien Gestaltungsraum.
Vorteile:
- maximale Flexibilität nach Vereinbarung
- erleichtert die Besetzung ungeliebter Arbeitszeiten
- Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt
Nachteile:
- erfordert klare Absprachen und gute Kommunikation
- schreckt möglicherweise Mitarbeiter ab, die feste Arbeitszeiten gewohnt sind
Die Möglichkeiten, Arbeitszeit neu zu gestalten, sind heutzutage flexibler denn je. Und als selbständiger Unternehmer sollten Sie diesem Trend unbedingt folgen, wenn Sie junge Mitarbeiter gewinnen wollen – denn Freizeit ist ihnen mindestens so wichtig ist wie ein sicherer Arbeitsplatz und ein faires Gehalt. Wie sich die Arbeitsmodelle der Zukunft im Handwerk entwickeln werden, können Sie selbst mitgestalten – nutzen Sie die Chance! Sprechen Sie mit Ihrem Team und finden Sie heraus, wie Sie die Work-Life-Qualität in Ihrem Betrieb verbessern können. Und vielleicht finden dann auch Sie wieder mehr Zeit für Ihr Privatleben.
Quellen:
https://www.handwerk-magazin.de/